01/06/2015 Mirko Lorenz

Vollrestauration eines 1956er Buick Special US Cars

Wie viel Aufwand ist nötig, um ein klassisches US Car nach Jahrzehnten zu restaurieren? Diese Dokumentation einer sehr umfassenden Oldtimer-Restauration bietet dazu einen Einblick – mit vielen Fotos, Erfahrungen und Tipps.

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Für alle, die darüber nachdenken einen Fachbetrieb mit einer aufwändigen Restauration zu beauftragen: Wie sollte das geplant und umgesetzt werden? Worauf muss man bei einer solchen Vollrestauration achten? 
Am Beispiel dieses Projekts habe ich einmal aufgelistet, was alles dazu gehört. Als Empfehlung, Orientierung und Hilfestellung. (Tipp: In einem gesonderten Beitrag gibt es auch noch ein Video des Fahrzeugs).

Dieser recht lange Beitrag soll einmal einen Überblick verschaffen, was alles bei der Restauration eines solchen Klassikers zu beachten ist. Zuerst einmal: Ganz gleich ob es eine Teilrestauration oder eine Vollrestauration ist – die Beachtung vieler Details, Erfahrung, Qualität der Arbeit und der Umgang mit Überraschungen oder Problemen gehören dazu.

Die Restauration eines Oldtimers ist immer ein vielschichtiges und oft auch kompliziertes Projekt. Karosserie, Motor, Fahrwerk, Innenausstattung – es geht darum viele, völlig unterschiedliche Materialien zu erneuern. So gut wie nur irgend möglich, ohne den Charakter des Autos zu sehr zu verändern.

Viele Arbeitschritte sind später nicht mehr sichtbar, wenn der Wagen dann fertig ist: Wo es die größten Schwierigkeiten gab und welche Schritte relativ rasch erledigt sind. Die wichtigsten Arbeitsphasen hin zu zu einer so perfekten Restauration wie bei diesem 1956er Buick Special sind hier aufgelistet.

Generelles Vorgehen: 
Das Fahrzeug wird in Baugruppen zerlegt. Das Prinzip lautet, dass jedes Bauteil direkt restauriert wird (wo möglich) und die einzelnen Teile danach eingelagert werden. Das bedeutet: Die längste Zeit nimmt die allmähliche Demontage in Anspruch. Das zieht sich. Der spätere Zusammenbau ist dann zwar immer noch viel Arbeit, geht dann aber deutlich rascher als die Demontage.

Buick Special 1956 Vollrestauration Oldtimer

Nur noch Rahmen und Fahrwerk: Der Buick wurde vollkommen zerlegt

Grundsätzlich galt es, den vorgefundenen Ist-Zustand aller Bauteile und Baugruppen genau zu dokumentieren.
Die Dokumentation erfolgte über unzählige Fotos, Zeichnungen und wichtig: schriftliche Aufzeichnungen.

Detaillierte Aufzeichnungen über die Restauration

Detaillierte Aufzeichnungen der vielen kleinen Arbeitschritte

Grundprinzip erfolgreicher Auto-Restaurationen

Fachwissen ist ebenso wichtig wie gute Organisation. Wie oben schon beschrieben, hier aber noch einmal wiederholt, weil es so wichtig ist: Teil ausbauen, restaurieren, einlagern und dazu eine umfassende Dokumentation. Einfach nur alles zu demontieren würde sonst dazu führen, dass später viele Teile nicht mehr auffindbar wären. Klar muss aber auch sein: Das dauert.

Oft unterschätzt: Der tatsächliche Restaurationsaufwand offenbart sich immer erst während der Restauration. Insbesondere bei Fahrzeugen, die bereits vor 40 oder sogar 50 Jahren gebaut wurden, gilt es neben vielen Metallteilen sowie mechanischen Bauteilen auch Kunststoffe, Dichtungen, Leisten, Scheiben und viele weitere Teile fachgerecht in Stand zu setzen. Im besten Falle lassen sich viele der Originalbauteile nach einer Aufarbeitung wieder verwenden. Im schlechten Falle können kleine, aber wichtige Teile aber auch viel Zeit kosten. Selbst mit viel Erfahrung lassen sich Überraschungen nicht vermeiden. Die wirklich kniffligen Aufgaben sind dabei schwer vorher zu sehen – doch sie treten auf. Bei jeder Fahrzeugrestauration.

Ästhetik und Restaurationsphilosophie: Je näher am Original, desto besser. Diese Philosphie wird nicht von jedem geteilt.

Die Einzelschritte einer Klassiker-Restauration

Hier eine lange Liste der Einzelschritte, die am Ende zu dem perfekten Ergebnis geführt haben. Selbst diese Auflistung gibt nicht jede einzelne Arbeit wieder – vermittelt aber einen Eindruck davon, wie viele Details zu beachten sind.

Demontagereihenfolge

  • Vorderwagen mit Motorraum, Motor, Armaturenbrett, Innenleben der Türen, Inneneinrichtung, Front- und Heckscheibe, Demontage der Türen von der Karosserie, Tank, Lenkgetriebe, Karosserietrennung vom Rahmen, Rahmen und Fahrwerkdemontage. Zwischendurch immer wieder Chrom- und Zierteildemontagen.
  • Da es sich bei dem Fahrzeug um ein noch nie demontiertes, fast originales Fahrzeug, handelte, wurde vor der Demontage alle Spaltmaße und „originale“ Fehler festgehalten.
  • Abstandsblöcke oder Abstandsunterlagen, die der Ausrichtung der Karosserieteile zueinander dienen, wurden genau dokumentiert und festgehalten.
  • Alle original vorgefundenen Dämm-Materialien genau dokumentiert und festgehalten.
  • Originalteile erhalten: Wo möglich, wurden die Originalteile restauriert oder aufgearbeitet. Alle Bauteile wurden in der originalen Farbgebung beschichtet, außer den Fahrwerkteilen (nach Rücksprache mit dem Auftraggeber).
  • Chrom- und Zierteile aufgearbeitet, um Patina zu erhalten und das Fahrzeug nicht tot zu restaurieren.

Fahrwerk, Rahmen, Karosserie

  • Das Fahrwerk komplett überholt außer der Hinterachse. Neue Gummis und Lager, neue Stoßdämpfer.
  • Rahmen gestrahlt und lackiert, Fahrwerkteile gestrahlt und lackiert, Ankerplatte der Bremsen original chromatiert, Hauptbremszylinder erneuert.
  • Getriebe: Dynaflow lief und läuft sehr gut, also nichts daran gemacht.
  • Karosserie komplett gestrahlt, Reparaturschweißungen durchgeführt, grundiert, komplett neuer Lackauftrag in annähernd originalen Farbentönen Carlsbad Black und Dover White (guter Lackierfachbetrieb mit Farbmixhändchen).
  • Lenkgetriebe zerlegt und überholt.
  • Tank gereinigt und außen in originaler Optik beschichtet.
  • Karosserie auf fertig gestelltes Fahrwerk mit neuen Silentblöcken montiert.
  • Türenmontage an die Karosserie.

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Scheiben und Innenaustattung

  • Neue Frontscheibe, alte Heckscheibe, Scheiben Türen vorne neu, Scheiben Türen hinten alt, alte Scheiben poliert.
  • Inneneinrichtung (Himmel, Türverkleidungen, Sitzbänke, Keder, Hutablage) komplett mit originalen Stoffen restauriert (Federkerne gesandstrahlt und klar lackiert), Plastikverkleidungen aufgearbeitet und restauriert, Dämmstoffe wie vorgefunden erneuert. Teppich erneuert, aber nicht ganz original. Kofferraumatten dem Original entsprechend nachgefertigt und mit originalem Stoff bezogen. Kofferraumpappen mit Klebefolie in originaler Optik beschichtet (Pappen in der originalen Optik gibt es nicht).
  • Innenleben der Türen komplett aufgearbeitet und restauriert. Fensterabstreifleisten selbst angefertigt, um es auch wirklich original zu haben (beflockte Leisten in originale Chromleisten eingezogen). Komplett neue Gummis und Dämm-Matten, wie vorgefunden, angefertigt und eingebaut.
  • Hochpreisige und nachgefertigte Roofrail Weatherstrips nach der Montage für schlecht befunden. Somit die alten und gerissenen Roofrail Weatherstips restauriert. Beschädigte Stellen herausgeschnitten und durch neue Gummistücke ersetzt.

Armaturenbrett, Lenkung, Kabelbaum

  • Armaturenbrett komplett zerlegt und restauriert, Tacho geeicht (zumindest im Bereich von 60 mph), elektromechanische Uhr mit neuen Kontakten versehen (vom Unterbrecherkontakt), neuer Heizungsgebläsemotor und Heizungsgebläseschlauch.
  • Kompletten und originalen Kabelbaum zerlegt, geprüft, gereinigt und wieder in originaler Optik umwickelt und wieder eingebaut.
  • Lenkgetriebe montiert. Motorraum und Feuerwand komplettiert.

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Motor, Auspuff, Kotflügel, Aufbereitung von Kleinteilen

  • Überholten Motor eingebaut. Motor lief nach der Überholung im ausgebauten Zustand auf Prüfbock in meiner Werkstatt.
  • Radhäuser vorne und Schloßblech ausgerichtet und eingebaut. Kotflügel vorne ausgerichtet und eingebaut.
  • Hauben vorne und hinten montiert, Tank montiert, Stoßfänger vorne und hinten ausgerichtet und montiert.
  • Edelstahl-Auspuffanlage montiert und mit teilweise OEM-Auspuffhaltern (wo erhältlich) und teilweise mit nachgefertigten Haltern (dem Original nachempfunden) montiert. Im Buick Zubehörprogramm von 1956 erhältliche Auspuffblenden aus Edelstahl-Vierkantrohr angefertigt und poliert.
  • Alle Schrauben mit Glass-Sand gestrahlt und in originaler Optik beschichtet, und wieder dahin montiert, wo sie hingehören!!!
  • Alle bei der Demontage vorgefundenen, werksseitigen Fehler (Passungenauigkeiten) waren nach der Fertigstellung genau wieder so vorhanden. Prima!!!

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Motor auf dem Prüfstand

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Hochzeit: Der Motor wird wieder eingebaut

 

„Meine besten Freunde“

Soll heißen: Welche Kenntnisse und Herangehensweisen haben einen Einfluss bei einem solchen Projekt?

  • Restauration von der Pike auf gelernt
  • Fachwissen und jahrelange Erfahrung
  • umfangreiche Originalunterlagen
  • der englischen Sprache mächtig
  • im Klaren darüber sein, daß Ersatzeile des amerikanischen „Aftermarkets“ des Öfteren mangelhaft sind
  • Ausdauer
  • Genauigkeit und Akribie,
  • Pedanterie und Pingeligkeit
  • Geduld
  • Originalfetischist

Empfehlungen

Zuletzt, meine wesentlichen Empfehlungen für die umfassende Restauration eines solchen Klassikers in Kurzform:

Arbeiten in Baugruppen,
kein Zerlegungswahn,
so gut wie alles selber machen und wo es nicht geht … gute handwerkliche Partnerunternehmen (Sattler und Lackierer),
Verwendung von alten Teilen (nach der Aufarbeitung), es gibt nichts Besseres!!!
Dichtmasse von 3M USA (# 08509 Auto Bedding and Glazing Compound), in Deutschland nicht erhältlich,
Teroson, Terostat VII, plastische Abdichtschnur

Und, zuletzt als ganz wichtiger Faktor: Ein Auftraggeber, der unendlich viel Freude an einem solchen Projekt und viel Verständnis für die konkreten Herausforderungen hat, die sich im Laufe des Projekts ergeben.

Weitere Fotos:
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Comment (1)

  1. Axel

    Wow! Schöne Dokumentation und auch die Erklärungen zur Reihenfolge und Vorgehensweise sind sehr hilfreich. Vielen Dank für das Teilen!

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